MOB-Taining
Kurz vor 17 Uhr treffen wir uns an Bord der „Trigon“, um zu einem MOB-Training mit lebender Person im Wasser auszulaufen. Wasserschutzpolizei, MRCC Bremen und der Rettungskreuzer „Berlin“ haben wir schriftlich informiert, damit es keine teuren Fehlalarme gibt. Zu unserer großen Freude nimmt sich die „Berlin“ Zeit unserem Training beizuwohnen und wir treffen uns bei WSW 3Bft. in der Heikendorfer Bucht.
Während Sandra im Neoprenanzug noch mit Rettungsweste und Lifebelt ausgestattet wird, fliegt schon der erste Fender zur Vorübung von Bord. Plötzlich ist auch Sandra über Bord. Um die Übung realistischer zu gestalten und den Stress zu erhöhen ist sie auf Peter-Pauls Geheiß in einer unbeobachteten Sekunde über Bord gesprungen, was ihr eine Riesengaudi bereitet hat.
Wir unterbrechen das Fendermanöver und fahren erst Sandra an. Das klappt auf Anhieb, es liegen Sicherungsleine und Bootshaken bereit und jeder hat seinen Auftrag, obwohl nichts abgesprochen und nichts vorbereitet war. Wir sichern Sandra mit der Leine und ziehen sie zum Heck, wo wir sie problemlos an Bord nehmen können. Allerdings herrschen auch nur ca. 30cm Welle, so dass das Heck nur geringfügig stampft.
Nachdem auch der Fender eingesammelt ist, springt Sandra, kaum an Bord, wieder ins Wasser und jeder kann ausprobieren wie es ist nicht nur auf einen Fender zu zusteuern, sondern auf eine lebende Person, der man unter keinen Umständen über Kopf fahren darf. Dank der geringen Welle ist es gar nicht so schwer die Person im Auge zu behalten, aber wir wissen von Trainings bei sehr ruppigen Bedingungen, mit in der Stollergrundrinne verankerten Kugelfendern, dass es der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich kommt, wenn man erstmal den Sichtkontakt verloren hat.
Die „Berlin“ verlässt uns irgendwann während des Trainings, weil sie einen richtigen Einsatz bekommt und wir machen erstmal eine kurze Pause um die Teilnehmer der Mittwochsregatta ungestört passieren zu lassen. Diese ließen sich von unseren Übungen nicht im geringsten irritieren, obwohl sie vom Übungscharakter ja nicht unbedingt wußten. Danach machen wir uns daran, verschiedene Lösungen für den nächsten interessanten Punkt auszuprobieren: die Bergung.
Über’s Heck, wie gesagt klappt ziemlich gut, an der Seite mit dem Spifall hochziehen klappt ebenfalls, wobei wir feststellen, dass unsere Spifallen nicht bis zur Wasserlinie reichen und wir mit einer Verlängerung arbeiten müssen.
Zu unserer Überraschung gelingt es sogar ohne Hilfsmittel einen 80kg-Markus plus vollgelaufenem Ölzeug an Bord zu zerren (ohne Mithilfe). Ralf und Claudia haben dieses Kunststück geschafft.
Auch die Sache mit dem ins Wasser gelassenen Vorsegel probieren wir. Wir vertreiben so, dass wir das Segel auf der Luvseite zu Wasser bringen müssen und sind an Bord entsprechend am kämpfen, aber Sandra berichtet später, dass das für sie die angenehmste Art war, wieder an Bord zu gelangen.
Da es langsam dunkel wird kommen wir nicht mehr dazu am Großbaum Taljen anzuschlagen. Aber auch das ist vermutlich kein Problem, wenn man darüber vorher einmal nachgedacht hat und evtl. sogar eine passende Konstruktion mitführt.
Überhaupt sind Vorausdenken und üben, üben, üben der Grundstock dafür, dass ein MOB erfolgreich wieder geborgen wird, denn je mehr Dinge automatisch ablaufen, desto mehr Kapazität bleibt übrig um situations-individuelle Dinge zu bedenken und abzuarbeiten.
Zur Anfahrt haben wir vorwiegend die herkömmlichen Manöver verwendet, die einen recht guten Erfolg gezeigt haben.
In jedem Fall empfiehlt es sich aber, auch nicht so gängige Manöver oder eigene Ideen auszuprobieren und einzuüben. Hierfür reicht jedoch der übliche Fender, so dass das nicht der Schwerpunkt des Tages sein sollte.
Am Rande seien noch bemerkt, dass ein, zwei kräftige Ruderausschläge das Schiff hervorragend abbremsen, sollte man zu schnell sein (vorher Bescheid geben, damit nicht noch jemand im Wasser schwimmt ???????), und man nicht vierkant auf den MOB zu halten sollte, sondern so hinsteuern, dass er auf Höhe der größten Schiffsbreite an die Bordwand gelangt.
Hierfür sprechen mehrere Faktoren: Erstens vermindert es das Risiko den MOB am Kopf zu treffen überproportional, zweitens muß niemand in den Bereich des schlagenden Vorsegels, drittens bietet ein sich stark bewegendes Vorschiff sowieso keinen Arbeitplatz um eine Leinenverbindung herzustellen, weil die Stampfbewegung zu groß ist und, viertens, sollte man es mit dem Bootshaken versuchen wird man ebenfalls keine sichere Arbeitsposition finden. Und last but not least sollte man so ansteuern, dass man keine Wende mehr im Aufschießer fahren muß damit die Segel und Schoten nicht noch einmal über gehen und sich alle ausschließlich auf den MOB konzentrieren können.
Als größtes Problem jedoch haben wir es empfunden den Leinenkontakt herzustellen. Denn obwohl „Trigon“ ein niedrig-bordiges Schiff ist muß man sich selbst mit langen Armen flach auf Deck legen um an den MOB heran zu kommen und das selbst ohne nennenswerte Welle. Hier muß ernsthaft überlegt werden ob nicht eine weitere, angeleinte, Person in Wasser springen muß, um die Leinenverbindung zum MOB herzustellen. Hier sind normale Lifebelts gegenüber Automatikwesten klar im Vorteil, da sie wesentlich mehr Griffe bieten.
Ist ausreichend Besatzung an Bord sollte man sich überlegen, das Vorsegel schnellst möglich zu bergen, um mehr Ruhe ins Schiff zu bringen und weniger Leute an den Schoten, dafür mehr bei der MOB-Bergung zu haben.
Ist erst mal eine Leinenverbindung hergestellt, findet sich (bei min. zwei an Bord befindlichen Personen) immer ein Weg den MOB an Bord zu holen. Diese Erkenntnis hat uns ziemlich überrascht, hatten wir doch das am schwierigsten eingeschätzt. Wobei auch hier der normale Lifebelt dank seiner vielen Griffmöglichkeiten einen Vorteil über die Automatikweste hat. Über das offene Heck der Trigon war das an-Bord-hieven wirklich kein Problem. Mit dem Spifall ebenfalls nicht und selbst ein Fock- oder zweites Großfall kann dafür herhalten – auf die Gefahr hin, dass es aus der Rolle springt, schließlich geht es um das Leben eines Menschen!
Die Bergung mit dem Segel machte zwar einen recht aufwendigen Eindruck, aber mit ein wenig Übung sollte das eigentlich machbar sein. Insbesondere weil auf den Brustkorb keine großen Kräfte wirken, ist das eine interessante Variante(ob einem Verletzten das Rollen in dem Segel gut bekommt muß man im Einzelfall klären). Und selbst ohne Hilfsmittel war es bei den ruhigen Bedingungen möglich einen MOB an Bord zu hieven – merke: Der Wille versetzt Berge!
Ob der eher ruhigen Bedingungen konnten wir nicht klären, ob es besser ist in Luv oder in Lee zu bergen. Und bei der Frage, ob man nicht auch den Diesel starten sollte sind wir zu keiner einheitlichen Meinung gekommen. Da wir bei allem gewünschten Realismus nur ein Training gemacht haben, blieb der Diesel aus.
Aus Sicht der MOB-Person ist zu berichten, dass es ein merkwürdiges Gefühl ist, wenn das Boot sich auf halbem Wind doch eine ganz schöne Strecke entfernt. Dank niedriger Dünung konnte das Boot die ganze Zeit im Blick behalten werden, bei höherer Dünung würde man es sehr schnell aus den Augen verlieren. Auch der Moment in dem das Boot im Aufschießer auf die Person zukommt ist delikat, a lá „Fahren sie mich nun über den Haufen oder nicht“.
Doch bei sämtlichen Manövern wurde die Situation mit Bravour gemeistert, kein einziges Mal bestand auch nur im Ansatz diese Gefahr. Es stand immer ein Crewmitglied am Bug und hat dem Rudergänger die Entfernung und Richtung angesagt. Dadurch war das Timing immer sehr gut.
Wichtig ist es auch, dass die Crew möglichst schnell Kontakt zur Person im Wasser herstellt und zur Mitarbeit motiviert. So ist zum Beispiel unter Mithilfe der Leinenkontakt schnell hergestellt. Im Realitätsfall sind beruhigende Worte sicherlich sinnvoll, denn man kommt sich doch sehr winzig vor, wenn man am Rumpf des Bootes entlanggezogen wird und damit beschäftigt ist, sich vom Rumpf, an den man gedrückt wird, abzuhalten..
Das Bergen einer bewusstlosen Person ist doch um einiges schwieriger, da wie oben beschrieben der Leinenkontakt schwerer herzustellen ist und der Körper des Bewusstlosen unkontrolliert im Wasser liegt. So kann es beim Bergen mit einem Fall zu Quetschungen kommen, wenn der Oberkörper an den Rumpf gedrückt wird. Hier zeigt sich auch, wie wichtig der korrekte Sitz des Lifebelts oder der Rettungsweste ist.
(c) Markus